Dass Bewerber bei Banken nicht unbedingt durch schrilles Outfit punkten können, das hat sich mittlerweile herumgesprochen. Aber stimmt die Mär vom konservativen Arbeitgeber überhaupt noch? Immer öfter kommt uns zu Ohren, dass auch - und oft gerade - die unangepassten Bewerber gut ankommen. Für alle Branchen kann das natürlich nicht gelten und es gibt selbst für tolerante Chefs Schmerzgrenzen. Doch nur weil einer ein Tatoo hat oder ausgefallene Ohrringe trägt, muss er noch lange kein schlechter Mitarbeiter sein. Diese Erkenntnis scheint sich zumindest durchzusetzen.
Der öffentliche Dienst und auch Unternehmen der Privatwirtschaft sind per Antidiskriminierungsgesetzt von Staatswegen zur Toleranz verpflichtet. Und tatsächlich kann der Spiegel in einem Artikel von einem Mitarbeiter bei der Arge Nord berichten, der gerade durch sein auffälliges Outfit bei jüngeren Beratungsklienten besser ankommt und besonders bei denen, die stilistisch ebenfalls auffallend daherkommen - sei es durch auffällige Frisuren, Schmuck, Tätowierungen oder Klamotten. Auch von einem Mitarbeiter bei einem Malerfachbetrieb ist die Rede. Der junge Mann kleidet sich zwar nur nach Feierabend schrill und ausgefallen, wird jedoch im Freundes- und Bekanntenkreis gerade wegen seines ausgefallenen Äußeren fast zwangsläufig auf seinen Broterwerb angesprochen. Die Antwort erstaunt. Denn dass ein so auffällig gestylter junger Mann bei einem Malerbetrieb akzeptiert wird, das scheint dann doch ungewöhnlich. Die Toleranz des Chefs für seinen auffällig gekleideten Mitarbeiter beindruckt die Gesprächspartner. Und die kreative Ader des jungen Malers, die er quasi schon zur Schau trägt, soll darüber hinaus sogar schon zu zusätzlichen Aufträgen geführt haben.
Zwei unterschiedliche Fälle, die eins verbindet: Jede Seite gibt etwas. Die Mitarbeiter tun ihr Bestes, ihre Form die eigene Persönlichkeit auszudrücken nicht auf die Spitze zu treiben. Die Arbeitgeber tolerieren im möglichen Rahmen ein gewisses Ausgefallen-Sein. Der Staat trägt mit dem Antidiskriminierungsgesetzt seinen Teil dazu bei, dass niemand eine Benachteiligung aufgrund seines Äußeren hinnehmen muss - wobei in diesem Fall vor allem die Mitarbeiter profitieren. Wo jedoch im Einzelfall ein Extrem bzw. die Spitze erreicht ist, das hängt nicht nur von der Branche und den Kunden eines Arbeitgebers ab, sondern auch von der Einstellung des jeweiligen Führungspersonals.
Allzu bunt dürfen es Angestellte natürlich auch bei toleranten Chefs nicht treiben. Im Kundenumgang sollten beispielsweise Tätowierungen auf Unterarmen mit langarmigen Hemden bedeckt sein, wenn Tätowierungen in der Branche, in der Sie arbeiten, nicht üblich sind - das gilt dann auch für die Sommerzeit. Um sich durchzusetzen, zu behaupten und von Kollegen und Chefs anerkannt zu werden, ist in der Arbeitswelt nach wie vor ein gewisses Maß an Anpassung in der Regel erforderlich. In gewissem Rahmen muss der Angestellte oder der Bewerber der es werden will eben auch die Bedürfnisse der Unternehmen erkennen und sich anpassen.
Ein besonders positiver Aspekt wird den äußerlich Unangepassten von Personalverantwortlichen allerdings gerne unterstellt und das könnte auch das Pfund sein, das diese bei Bewerbungen in die Waagschale werfen können: wer so offensichtlich auffällt, dem traut man zu, dass er eine eigene Meinung hat und dass er diese auch kundtut. Eine gewisse kreative Ader ist ohnehin nicht zu übersehen. Wer also im kreativen Bereich arbeitet, wird daher weniger Mühe haben, sich auch mit Ecken und Kanten gut zu präsentieren. Ob die Banken da mitspielen bleibt weiterhin zu bezweifeln. Doch auch Unternehmen, die in konservativen Bereichen tätig sind, schätzen Mitarbeiter, die Position beziehen können. Für Bewerber also lediglich eine Frage der guten Vorbereitung und Selbstpräsentation.
Patrick Steidle Büro für Berufsstrategie
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