Fast jeder hat sie schon einmal wahrgenommen, die nackten Tatsachen; am Arbeitsplatz. Die einen mögen sie ansehnlich finden, anderen sind sie gleichgültig und manche fühlen sich durch ihren Anblick belästigt. Ist dieses subjektive Empfinden aber auch rechtlich als Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu werten?
Sexuelle Belästigung ist eine Form von Belästigung, die insbesondere auf das Geschlecht der betroffenen Person abzielt. Arbeitsrechtlich ist diese Art der Diskriminierung rechtswidrig. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz sind insbesondere sexistische und geschlechtsbezogene, entwürdigende und beschämende Bemerkungen oder Handlungen, unerwünschte körperliche Annäherungen oder Berührungen sowie das Zeigen und sichtbare Anbringen von pornografischen Darstellungen. Die Meinungen darüber, ob "Pin-Up-Kalender" derartige pornografische Darstellungen sind, gehen weit auseinander. Pornografie unterscheidet sich von Kunst dadurch, dass sie Sexualität vergröbert oder verzerrt, ohne sie in einen weitergehenden Lebenszusammenhang zu stellen. Eine sexuelle Belästigung liegt aber auch nur dann vor, wenn das als anstößig wahrgenommene Verhalten auch bewirkt oder bezweckt, die Würde der Betrachterin oder des Betrachters zu verletzen. Ob der "Pin-Up-Kalender" am Arbeitsplatz für ihn betrachtende Kolleginnen oder Kollegen in diesem Sinne sexuell belästigend ist, ist von der Rechtsprechung bisher nicht geklärt.
Um die rechtlichen Konsequenzen einer sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz zu vermeiden, sollte ein "Pin-Up-Kalender" dann entfernt oder gar nicht erst aufgehangen werden, wenn einzelne MitarbeiterInnen dies offensichtlich ablehnen. Sofern der Bitte, die Kalender und Bilder abzunehmen, nicht nachgekommen wird, und der oder die MitarbeiterIn dies als sexuelle Belästigung empfindet, sollte der Betriebsrat eingeschaltet oder bei schwerwiegenden Belästigungen ein Anwalt konsultiert werden, um die Erfolgsaussichten und die möglichen Folgen einer Beschwerde bereits im Vorfeld besprechen zu können.
Dies gilt auch bei anderen Formen der sexuellen Belästigung wie z.B. dem Hinterherpfeifen bei KollegInnen, das „sich in den Wegstellen“ mit sexuellen Anspielungen sowie dem Umarmen der KollegInnen. Gegen derartige sexuelle Belästigungen kann man in der Regel nur dann erfolgreich vorgehen, wenn es gelingt, diese auch zu beweisen. Dies stellt die Betroffenen vor erhebliche Probleme. Denn in der Regel finden sexuelle Belästigungen dann statt, wenn keine Zeugen zugegen sind. Besteht die Gefahr weiterer Belästigungen, ist zu klären, wie sicher gestellt werden kann, dass zum Beispiel im Wiederholungsfall ein Zeuge in der Nähe ist.
Vor einer Geltendmachung weiterer Rechte sollte zunächst der Arbeitgeber in Kenntnis gesetzt und dessen Einschreiten gefordert werden. Denn der Arbeitgeber ist verpflichtet, seine Beschäftigten vor sexuellen Belästigungen zu schützen. Hat sich der oder die Betroffene bei dem Arbeitgeber beschwert, ist dieser verpflichtet, im Einzelfall angemessene arbeitsrechtliche Schritte einzuleiten, insbesondere zu prüfen, ob gegenüber dem sexuell Belästigenden eine Abmahnung, eine ordentliche oder sogar eine außerordentliche Kündigung auszusprechen ist. Nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte reicht z.B. für den Ausspruch einer Abmahnung bereits das Hinterherpfeifen bei Kolleginnen oder Kollegen. Eine ordentliche Kündigung kann u. a. dann gerechtfertigt sein, wenn ein Kollege seine Kollegin gegen deren Willen wiederholt umarmt - oder umgekehrt.
Ist die Beschwerde beim Arbeitgeber erfolglos, kann der/die Betroffene unter bestimmten Umständen die Arbeit verweigern oder Schadensersatz verlangen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Arbeitgeber auf die Beschwerde hin nicht tätig geworden ist, um die sexuelle Belästigung zu verhindern, und keine Möglichkeit besteht, dem sexuell Belästigenden anderweitig aus dem Weg zu gehen, z.B. durch eine vom Arbeitgeber angewiesene Weiterarbeit an einer anderen Stelle des Betriebes. Der Anspruch auf Schadensersatz ist innerhalb von 2 Monaten ab dem Zeitpunkt der sexuellen Belästigung gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich geltend zu machen. Soll der Anspruch gerichtlich durchgesetzt werden, ist die Klage innerhalb von 3 Monaten ab der schriftlichen Geltendmachung gegenüber dem Arbeitgeber bei dem zuständigen Arbeitsgericht zu erheben. Im Übrigen besteht die für den einzelnen Betroffenen wohl eher weniger interessante Option der fristlosen Eigenkündigung des Arbeitsverhältnisses.
Wird man selbst Zeuge einer sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz, sollte man Zivilcourage zeigen, z.B. andere Kollegen direkt ansprechen und hinzuziehen, um deutlich zu machen, dass das Verhalten des Belästigenden auch von anderen nicht toleriert wird und man bereit ist, sich hinter den betroffenen Kollegen bzw. die betroffene Kollegin zu stellen.
Die Erfahrung in der Praxis zeigt, dass aufgrund der erheblichen Beweisschwierigkeiten Ansprüche des oder der Betroffenen in der Regel nur sehr schwer gerichtlich durchsetzbar sind. Dann bleibt nur, dem Belästigenden energisch und selbstbewusst entgegenzutreten mit der eindeutigen Aufforderung, die Belästigung(en) zu unterlassen.
Gastartikel von Manuela M. Gerhard Fachanwälte für Arbeitsrecht
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