Wer kennt das nicht? In der Kantine oder nach der Arbeit wird im Kollegenkreis gelegentlich ordentlich "Dampf abgelassen". Der Abteilungsleiter handelt ungerecht, die neue Chefin setzt Sie mächtig unter Druck oder der Kollege aus dem Nachbarzimmer nervt jeden Tag mit unqualifizierten Fragen. Da liegt es nahe, sich ein paar Verbündete zu suchen, mit denen man tratschen oder lästern und der Unzufriedenheit über die betriebliche Situation ordentlich "Luft machen" kann. Doch was ist, wenn die lieben Kollegen Ihren geäußerten Unmut an den Arbeitgeber weitergeben? Wo liegen die Grenzen des Erlaubten? Ab wann müssen Sie mit rechtlichen Sanktionen, wie Abmahnung, Kündigung oder Unterlassungsverfügung rechnen?
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Bereits im Jahr 1965 fand der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts zum Thema "Meinungsfreiheit unter Kollegen" folgende Worte:
"Bei der bekannten Neigung aller Menschen zu Kritik an ihren Mitmenschen ... wird erfahrungsgemäß oft im Kollegenkreis und vornehmlich in gemütlicher Runde nach Dienstschluss über diesen oder jenen Kollegen gelästert … Solche anfechtbaren oder doch jedenfalls unvorsichtigen Äußerungen werden im Kreise der Kollegen in der sicheren Erwartung getan, dass sie nicht über den Kreis der Gesprächsteilnehmer hinausdringen. Der Ort, seinen gegenteiligen Standpunkt zu vertreten, ist die Gesprächsrunde selbst. Wem Thema und Ton des Gesprächs nicht passen, kann sie verlassen. Wer aber an ihr bis zum Schluss teilnimmt, unterwirft sich damit den stillschweigenden Regeln menschlicher Gemeinschaften, die Äußerungen der Gesprächsrunde nicht an andere Stellen weiterzugeben…".
An dieser "stillschweigenden Regel menschlicher Gemeinschaften" hat sich bis heute wenig geändert. Erst 2009 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass Äußerungen in persönlichen Gesprächen – auch unter Kollegen – Ausdruck der Persönlichkeit sind und damit grundrechtlich unter dem Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts stehen – selbst dann, wenn die Bemerkungen einen ehrverletzenden Gehalt gegenüber Außenstehenden haben. Der Einzelne darf also darauf vertrauen, dass von ihm getroffene Aussagen, die den Betriebsfrieden stören oder das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber belasten könnten, nicht nach außen getragen werden. (Az.: 2 AZR 534/08).
Dennoch gilt grundsätzlich: In der Öffentlichkeit wandern Mitarbeiter mit ihren Äußerungen und Beiträgen auf einem schmalen Grat.
Zwar hat jeder Mensch auch im Arbeitsleben ein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. Doch die Grenzen liegen da, wo sie durch die allgemeinen Gesetze, die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und das Recht der persönlichen Ehre eingeschränkt werden. Allerdings müssen diese wiederum vor dem Hintergrund des Grundrechts interpretiert werden.
Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist also kein Freifahrtsschein für Lästern nach Herzenslust. Denn es steht Arbeitnehmern dadurch keineswegs frei, Kollegen und Vorgesetzte zu beleidigen oder den Ruf des Arbeitgebers zu schädigen. Auch üble Nachrede ist nicht erlaubt. Der Arbeitnehmer schuldet dem Arbeitgeber vielmehr ein Mindestmaß an Loyalität, die hier arbeitsvertragliche Grenzen setzt. Werden diese Grenzen überschritten – was immer im Einzelfall beurteilt werden muss – kann eine Vertragsverletzung vorliegen, die den Arbeitgeber ggf. auch zu einer fristlosen Kündigung berechtigt.
Das berührt auch Blogbeiträge im Internet von Arbeitnehmern, die sich während oder nach einem Arbeitsverhältnis über den (Ex-)Arbeitgeber auslassen. Oder Betriebsangehörige, die sich – z.B über social media wie facebook, twitter und Co. – mit ihrer Kritik mehr oder weniger bewusst an die Öffentlichkeit wenden.
Fazit: Arbeitnehmer sind gut beraten, sich in der Öffentlichkeit zurückzuhalten und immer sachlich zu äußern, denn beispielsweise Internetbeiträge werden von Chefs und Personalern inzwischen häufig gezielt gesucht und auch gefunden.
Ulrike Badewitz, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Berlin
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Ulrike Badewitz
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